Nach längerer Pause hat am 29.-30. September erfreulicherweise wieder einmal ein „Kyudo-Bundeslehrgang Frauen“ stattgefunden. Dafür konnten zwei hochkarätige Lehrerinnen gewonnen werden, Connie Brandl-Hoff (Heki) vom Hamburger Alster-Dojo und Lilo Reinhardt (Shomen) von der Abteilung Kyudo im TSV München-Ost.
Connie, 5. DAN Renshi, B-Trainerin, außerdem Vize-Präsidentin und Ausbildungsverantwortliche des DKyuB und Lilo, 6. DAN Renshi, B-Trainerin und Landestrainerin Bayern haben eine schier unermessliche Erfahrung in Kyudo und Kyudo-Ausbildung, sodass die Aufzählung alles dessen, was die beiden geleistet haben, den Rahmen dieses Berichts sprengen würde.
Am Samstag trafen sich 25 Frauen aus allen Himmelsrichtungen Deutschlands. Manche waren zum Teil bereits schon auf einem der sechs früheren Frauenseminare, andere kamen aus Neugier oder hatten Fragen, die ihnen bisher niemand beantworten konnte. Die Gruppe war bunt gemischt vom 6. Kyu bis zum 4. DAN, was für den Ablauf eines Seminars durchaus eine Herausforderung sein kann. Unsere Lehrerinnen haben die Gruppen jedoch nur einmal getrennt, als es um Tasukisabaki ging, ansonsten waren wir immer zusammen und nicht nur die „Kleinen“ konnten von den „Großen“ lernen, sondern auch umgekehrt. Die Atmosphäre des Seminars war von Gemeinsamkeit, gegenseitigem Respekt, aber auch viel Vergnügen geprägt.
Die Themen waren „Ökonomische Kraftverteilung beim Schießen“, „Schießen im Kniestand“, „Tasukisabaki“, „Ästhetik und Schönheit im Kyudo“, „Schießen mit Kiai“ und „Kleidung“, daneben konnten die Teilnehmerinnen im Vorfeld weitere ihnen wichtige Themen benennen.
In einer ersten Gesprächsrunde wurde ausführlich über die Muneate gesprochen, aber auch über diverse Obi-Knoten, Sicherheitsaspekte (Schmuck, lange Haare) und kalte Füße in Tabi. Dank der Anwesenheit von drei Japanerinnen konnten wir auch einen Blick unter den japanischen Kimono wagen und erfuhren allerlei Interessantes, was in Japan an Kleidung verfügbar ist, um sowohl die Kälte als auch die Hitze zu ertragen und stets trotzdem in einwandfreiem Kimono zu erscheinen, im Gegensatz zu uns Deutschen, die schon auch einmal sichtbar frieren oder schwitzen.
Mit dem Schießen im Taihai und dem freien Schießen mit persönlicher Korrektur kam schließlich auch die technische Seite nicht zu kurz. Am Abend konnten wir noch einen Vortrag über die historische Entwicklung von Frauen im Kyudo von Connie hören. So lernten wir, eingebettet in die historische Rolle der Frau in Japan, Charaktere wie Gozen Tomoe kennen und erfuhren dass in 1925 die ersten Schülerinnen mit Kyudo begannen, was wenig überraschend mit Argwohn betrachtet wurde. Wie so oft im (Frauen-)leben haben diese Pionierinnen den Weg geebnet, von starker Ablehnung und Argwohn, über Unterstützung und Förderung einiger weniger Lehrer und schließlich bis zum alltäglichen (meist) nicht mehr erschreckenden Anblick. So konnten wir auch einiges über bekannte japanische Lehrerinnen und deren teilweise schwierigen Stand in der Kyudo-Welt erfahren. An dieser Stelle sei stellvertretend Urakami-Sensei erwähnt, die in hohem Alter dieses Jahr verstorben ist.
Der Seminar-Sonntag begann mit Gebrüll und unfertig angezogenen Kyudoka. Letzteres, um sich gegenseitig die Obi-Knoten zu zeigen und neue von einer japanischen Kyudoka erklärt zu bekommen.
Dann gab es in Vorbereitung auf das Schießen mit Kiai lautstarke Übungen. In vielen Dojos wird (hörbarer) Kiai nicht praktiziert und wo er praktiziert wird, sind es oft gerade die Frauen, die damit ein Problem haben. Nun wurden wir also aufgefordert laut brüllend aufeinander zuzugehen, was nach einer Schrecksekunde allen richtig Spaß machte. Dementsprechend lief das Schießen mit Kiai anschießend sehr erfolgreich und einige haben nun selbst durch ihren lauten Kiai erfahren können, wie weit einen der so besser gespürte Körperzusammenschluss bringen kann.
Abgeschlossen wurde unser Seminar mit einem Vortrag von Lilo über die Schönheit im Kyudo. Hierbei ging es nicht nur um die Pflege des Materials und der Kleidung, sondern auch um die Schönheit im Gesamtkonzept Kyudo. Dabei hat sie uns Mut gemacht, uns selbst zu akzeptieren wie wir sind, um so zu einem anderen Selbstverständnis und daraus folgend zu einem kraftvolleren und selbstbewussteren Schießstil zu finden.
Ich kann hier nicht für alle Teilnehmerinnen sprechen, aber ich habe um mich herum nur positives über dieses Seminar hören können. Dieser Meinung schließe ich mich unbedingt an und hoffe für mich und alle, dass der „Kyudo-Bundeslehrgang Frauen“ wieder ein regelmäßiges Angebot werden wird. Vielen Dank noch einmal an Connie und Lilo, die wir dabei natürlich wieder als Lehrerinnen erhoffen.
Susanne Huber (Abt. Kyudo, TSV München-Ost)
Bilder: Connie Brandl-Hoff